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Achterbahn

Als Michaela, meine Coachin und gute Seele, zu der Blogparade „Einfach machen – Selbstständig machen – und dann kam es ganz anders als erwartet!“ einlud, habe ich mich zunächst sehr gefreut. Ich wollte so viel erzählen! Dann habe ich mir doch Zeit gelassen. Es war eine ganze Weile für mich nicht leicht, über Träume und Reisen zu schreiben. Es ist eine Geschichte voller Höhen und Tiefen, die gerade täglich neu geschrieben wird.

Ende 2018 habe ich meinen langjährigen Job gekündigt und ein Reiseunternehmen gegründet. Davor war ich über zehn Jahre in Führungsposition in einem gemeinnützigen Unternehmen angestellt. Ein Job, der mir lange Jahre sehr viel Freude bereitet hat. Lange Zeit habe ich geglaubt, das würde ich bis zur Rente machen, es war abwechslungsreich, spannend, gar nicht mal so schlecht bezahlt und für eine gute Sache. Aber in den letzten Jahren hatte sich etwas verändert und irgendwann passten das Unternehmen und ich nicht mehr zueinander. Es wurde enger, bürokratischer, kleinteiliger. Mit der Zeit stimmte meine Arbeit nicht mehr mit meinem Freiheitsdrang überein, was für mich der wichtigste Wert ist. Und nach und nach habe ich immer mehr entdeckt, wie schön die Welt ist: die lilafarbenen Hügel im Lake District im Norden Englands, der Jakobsweg vor meiner Haustüre, die überwältigende Schönheit Norwegens, die freundlichen Menschen und wunderschöne Natur in Rumänien – es gibt so tolle Orte, wo ich lieber sein wollte, als in einem (zugegeben schönen) Büro vor Exceltabellen. Ich hatte im Jahr davor drei Monate frei genommen und bin durch Nordeuropa gereist; ich kann mich noch sehr genau erinnern, wie ich zum ersten Mal in Norwegen an einem Fjord entlangfuhr. Ich wusste gar nicht, dass ich so lange den Atem anhalten kann. An solchen Orten und anderen, ähnlichen wollte ich sein, und sie auch anderen Menschen zeigen.

lysfjorden

Also habe ich es getan. Wenn man sich entschieden hat und weiß, was man tun will, ist es einfach, wenn auch nicht unbedingt leicht. Aber ich habe gelernt, dass viele Sachen im Leben nicht leicht sind und trotzdem besonders gut werden können (wie meine Tochter, die kurz vor meinem 20. Geburtstag zur Welt kam und jetzt eine wunderbare junge Frau ist J).

Hätte ich gewusst, was auf mich zukommt, hätte ich es mir vielleicht zweimal überlegt (und es dann doch getan). Ich hatte davor vielleicht keine Ahnung von Tourismus, aber eine Vision und das Ziel, Menschen die Welt so zu zeigen, wie ich sie sehe. Langsam, zu Fuß, oft mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Mit den Menschen vor Ort sprechen, bei ihnen zu Hause essen. Ihre Tiere beobachten und manchmal streicheln. Kleine, private Unterkünfte unterstützen.

Im Nachhinein glaube ich immer mehr, dass das gut so war. So hatte ich anfangs keinen Schimmer, wie klein die Margen und wie groß das Risiko einer Reiseveranstalterin sind. Reisen zu konzipieren und zu organisieren ist schon eine Herausforderung, aber sie auch an den Mann oder an die Frau zu bringen, noch viel mehr. Alles im Griff haben und trotzdem entspannt bleiben. Kund*innen und Reiseleiter*innen betreuen. Abrechnungen schreiben und Steuern für Reiseveranstalter*innen verstehen. AGBs erstellen, Webseite pflegen, Datenschutzgrundverordnung und nationale Bestimmungen beachten. Preise kalkulieren, fair zu allen Beteiligten sein, konkurrenzfähig blieben. Lernen, was nicht funktioniert und es anders machen. Etwas riskieren.

Ich habe ganz und gar unterschätzt, wie schnell alles gehen würde. Zum Beispiel hatte ich bereits die ersten Buchungen, bevor ich die vorgeschriebenen Versicherungen abgeschlossen hatte, also konnte ich am Anfang nicht mal Rechnungen schreiben. Und vor allem hatte ich unterschätzt, was für eine Lawine Arbeit das alles sein würde. Wie viele Nächte ich vor dem Laptop verbringen werde. Ich hatte zudem unterschätzt, wie viele Menschen gerne mit mir zusammenarbeiten, was für schöne gemeinsame Projekte daraus entstehen und auch, wie viele Menschen bei mir buchen werden (es waren über 60 im ersten Jahr).

jakobsweg für frauen

Ich habe unterschätzt, wie schön es ist, mit Menschen unterwegs zu sein, wie gut es sich anfühlt, wenn sie wieder buchen und mich weiterempfehlen. Wie gut es ist, wenn sie etwas erlebt haben, was sie lange nicht vergessen werden. Die leuchtenden Augen der Frauen, die gemeinsam auf dem Jakobsweg waren. In Island für acht Leute kochen, die täglich überwältigt sind von der außerirdischen Schönheit der Landschaft. In Rumänien der Bäuerin beim Kühe melken zuschauen (und den Gästen beim Milch trinken, fast direkt aus der Quelle, nur mit einem kleinen Umweg über die Tasse).

2020 sollte auch der finanzielle Durchbruch kommen. Aber dann kam Corona und unsere Branche wurde wie von einem Tsunami untergespült. Ich bewege mich seit Wochen wie unter Wasser. Mehr als die Hälfte meiner Reisen sind nun abgesagt oder verschoben. Als ich dies Mitte Mai 2020 schreibe, sind die Grenzen im Schengener Raum zum Großteil noch geschlossen und sogar innerhalb Deutschlands ist das Reisen nicht wieder überall möglich. Das wird sich in den nächsten Wochen hoffentlich ändern.

individuell auf dem jakobsweg

Wir sind vielleicht nicht systemrelevant aber in Deutschland arbeiten Millionen Menschen im Tourismus und viele mehr in den Ländern, wo wir unterwegs sind. Viele von ihnen haben von heute auf morgen ihre Existenzgrundlage verloren, arbeiten unbezahlt, um das Geschäft abzuwickeln. Mir bricht fast täglich das Herz, wenn ich von Kolleg*innen höre, die in die Insolvenz rutschen, oder sehr nahe davorstehen, zumal manche nach Jahren und Jahrzehnten guter Arbeit. Es ist schön zu sehen, wie viele Kundinnen und Kunden dabeibleiben, umbuchen, ermutigende Nachrichten schreiben. Ich bin sehr gerührt, wie viel persönliche Unterstützung ich erfahre. Es gibt auch die andere Seite: die Menschen, die nun mit mir ein Geschäft machen wollen oder mir vorschlagen, mit ihrer Hilfe das ultimative Online-Produkt zu entwickeln, etwas zu verkaufen oder mir einen neuen Job zu suchen. Da sträubt sich alles in mir. Ich bedanke mich höflich, aber die Antwort ist bisher immer „nein“.  Weil ich genau weiß, was ich machen möchte. Es ist Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Unsere Jakobswege in Deutschland sind auf den Herbst verschoben und es kommen bereits neue Buchungen.

Es ist möglich, dass der Tourismus nicht mehr so sein wird, wie er war, aber ich glaube fest, dass solch einzigartige Reisen die Zukunft sein werden. Und ich habe fest vor, mit meiner Firma ein Teil davon zu sein.

jakobsweg für frauen